Das Spiel und Ich – Teil 1

Eins vorne weg: Ich bin nur ein Fan. Ich bin kein Journalist, ich habe nie Eishockey gespielt. Über winterliches Freizeitgestümper auf dem örtlichen Weiher hinaus hat es nicht gereicht. Dieser Blog verfolgt auch nicht das Ziel, dass ich mir damit eine goldene Nase zu verdienen. Ich möchte einfach nur meine Einblicke und Eindrücke wiedergeben, weil ich der Meinung bin, dass dieser wunderbare Sport viel zu wenige mediale Beachtung bekommt. Mich nämlich, hat die Puckjagd sofort gepackt und nicht mehr losgelassen, seitdem ich zum ersten Mal mit ihr in Kontakt kam. Wie es dazu gekommen ist, werde ich in diesem eröffnenden Beitrag meines Blogs erzählen.

Meine Geschichte beginnt Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts mit einem weniger erfreulichen Ereignis. Wie in so vielen Fällen, hat auch bei meinen Eltern die ritterlich-romantische Eheplattitüde „Bis dass der Tod euch scheidet“ nicht das halten können, was man gemeinhin darunter erwartet. In Folge der Scheidung machte sich mein Vater auf ins für mich damals Welten entfernte Selb, um seinem neuen Job nach zu gehen. Wie sich herausstellen sollte, ein eher verschlafener Ort mitten im Nirgendwo, der auf den ersten Blick nicht viel zu bieten hatte, außer die einladende Nähe zur Tschechischen Republik.

Allerdings hat dieses Städtchen noch einen anderen Schatz zu bieten, den man aber erst zu Gesicht bekommt, wenn man die Truhe, in der er schlummert, öffnet. Dieser Schatz liegt fein behütet in der Hackordnung des Lokalsports. Denn anders als in gefühlt 99% der Kommunen des Landes spielt der Fußball in Selb nur eine untergeordnete Rolle. Das Spektakel findet – ironischerweise – direkt nebenan statt: im Eisstadion. Ein kurzer Blick in die Historie zeigt, dass die Stadt eine lange Tradition im Eishockey pflegt, die Ende der 90er ihren Höhepunkt erreichte, danach einen Einbruch erlebte, der sich mittlerweile aber wieder relativiert hat. Das alles war mir als kleiner Knirps, der gerade seine ersten Jahre in der Grundschule hinter sich hatte, logischerweise völlig egal, denn der erste Besuch in der Halle hat bis heute bleibenden Eindruck hinterlassen.

Der ERC Selb – die Selber Wölfe – war damals ein hochambitionierter Zweitligist. Die Spendierfreudigkeit des Klubs führte dazu, dass einige gebürtige Selber, die in den 80ern und frühen 90ern sehr erfolgreiche Karrieren auf Klub- und teilweise Nationalmannschaftsebene hatten, auf die alten Tage nochmals für ihren Heimatklub die Schlittschuhe schnürten. Ergänzt wurde diese Mannschaft mit teils hochdekorierten Legionären, die sich den Ritt in den sportlichen Sonnenuntergang fürstlich entlohnen ließen. Ein Name, der aufgrund seines herrlich simplen Klangs in Erinnerung blieb, steht für diesen eingeschlagenen Weg sinnbildlich: Jiří Lála. Ein Blick auf dessen Spielerprofil lässt erahnen, in welchen Dimensionen man sich bewegte. Böse Zungen könnten behaupten, dass man in Selb das heute in der amerikanischen Fußballliga MLS gängige Altstar-Modell praktizierte.

Entsprechend rege war das Zuschauerinteresse, sodass das Stadion zu Spielen der ersten Mannschaft immer sehr gut gefüllt war. Die Atmosphäre, ließ die in den großen Fußballstadien der Republik zu einem Knabenchor verkommen. Die Hütte brannte im wahrsten Sinne des Wortes. Und. Zwar. Jedes. Mal. Das änderte sich auch nur bedingt, als der finanzielle Übermut der Entscheidungsträger das wacklige Konstrukt, auf dem der Drang in die 1. Bundesliga gebettet war, wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen ließ. Die Mannschaft wurde deutlich verjüngt, u. a. mit dem heutigen Vizeolympiasieger Frank Hördler, der seine ersten Spiele im Seniorenbereich in Selb absolvierte, bevor es ihn zu den Eisbären nach Berlin zog. Das Interesse, mein Interesse, war ungebrochen.

Die anderweitige Freizeitgestaltung hielt sich in dieser Region des Fichtelgebirges stark in Grenzen. Folglich entwickelte sich der ritualisierte Gang ins Eisstadion zum Highlight, der ansonsten eher unspektakulären Wochenenden in Hochfranken.

 

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